Das Vogelhaus vom Ziegenmarkt 10 -11
Hinter dicke Mauern, Stacheldraht, vielen Kameras und Technik. Nachdem die JVA Wolfenbüttel an sich auf eine im Jahre 1790 eingerichtete Zwangsanstalt für Züchtlinge zurückblickt, so hat das heutige Objekt der Begierde dagegen eher eine kurze Geschichte. Trotzdem schaut es in diesem Jahr schon auf sein 20-Jähriges Jubiläum und ist wohl auch das Bestbewachteste seiner Art. Die Rede ist von einem Vogelhaus. Dieses wird seit dem Jahr 2000 in den Räumen der Arbeitstherapie der Justizvollzugsanstalt Wolfenbüttel von Inhaftierten in Handarbeit gefertigt und zum Jahresende auf dem öffentlich zugänglichem Advents-Basar der JVA verkauft.
Die Arbeitstherapie an sich dient dem Ziel, Fähigkeiten für eine Erwerbstätigkeit nach der Entlassung zu erhalten oder zu fördern. Ebenso will man Inhaftierte erreichen, deren Leistungsfähigkeit in psychischer, physischer und / oder sozialer Hinsicht so eingeschränkt ist, dass sie den durchschnittlichen Anforderungen an Arbeit sowie Aus- und Weiterbildung nicht ganz entsprechen könnten. Somit erfüllt man den gesetzlichen Auftrag der Resozialisierung und versucht Fähigkeiten für eine Arbeits-, Schul- oder Ausbildungstätigkeit zu wecken, stärken oder neu zu Entwickeln. Die ausschließlich erwachsenen Männer zwischen 25 und 50 Jahren werden hierbei von einem extra geschulten Bediensteten mit arbeitstherapeutischer Zusatzausbildung betreut. Das Vogelhaus ist also das Ziel einer therapeutischen Maßnahme und zudem der heimliche Kassenschlager vom Advents-Basar.
Ca. 60 Vogelhäuser werden neben anderen Kunstwerken Jahr für Jahr in einer Art Einzelproduktion von den Inhaftierten gefertigt. Es besteht aus gut 50 Einzelteilen und etlichen Torx-Schrauben. Das Vogelhaus selber wird aus Fichte gefertigt und mit Leinöl-Firnis imprägniert. Das Dach erhält Bitumenschindeln und einen Schornstein. Dieser ist Lackiert und beinhaltet einen mit Sichtfenstern versehenen Vorratstrichter für das Futter. Zum Schutz vor Großvögel baut man Streben ein. Eine dieser Streben lässt sich zum Reinigen sogar entnehmen.
Zum Vogelhaus dazu kann man auch noch einen Ständer erwerben. Auch dieser wird in Handarbeit gefertigt. Der Ständer besteht aus Kesseldruckimprägniertem Holz und hat eine passende Auflage für das Vogelhaus. Wie man sieht ist dieses Vogelhaus eine wertige und stabile Arbeit. Fest verschraubt und sofort einsatzbereit für den Einsatz in der Natur. Das Schöne daran ist auch, dass man es seit 20 Jahren immer weiterentwickelt und modifiziert hat. Und dies vor allem auch mit den Gedanken und Ideen der Inhaftierten.
In diesem Jahr allerding macht Corona dem Advents-Basar einen Strich durch die Rechnung. So wie man den Advents-Basar kennt wird er in 2020 nicht stattfinden können. Aber man arbeitet fleißig an einem Konzept um die Veranstaltung in anderer Art und Weise durchführen zu können. Schließlich warten 60 schwer bewachte Vogelhäuser auf ihr neues Zuhause in Freiheit. Wie der Verkauf in diesem Jahr aussehen wird teilen wir euch natürlich zeitnah mit.
